Teneriffa

Oktober 2015, zwei Wochen Urlaub und der einzige Direktflug von Wien ging nach Teneriffa. Nach Kurzem Hin und Her wurde gebucht. Ich bin grundsätzlich ein riesen Lanzarote-Fan, die Inseln liegen praktisch nebeneinander, also was sollte schon schief gehen? Als Base wählten wir Puerto de la Cruz, die 6. größte Stadt der Insel,  aus.  Normalerweise entspricht das so überhaupt nicht meinem Geschmack, je ruhiger desto besser, aber erstens hatten wir uns nicht so richtig auf Teneriffa eingelesen, und zweitens bei den Preisen hier durften wir nicht wählerisch sein. Am letzten Tag vor unserem Abflug kauften wir dann doch noch schnell einen Reiseführer, vermutlich etwas zu spät um ihn überhaupt zu lesen, doch besser doch noch gekauft als ein Highlight versäumen. Mit einem Nachtflug starteten wir Mitte Oktober, stiegen um drei Uhr morgens in den Flieger ein und um acht Uhr morgens auf den Kanaren aus - was gab es Schöneres? Vermutlich Einiges für die Stewardessen, welche uns Touristen leblos und mit offenen Mündern in den Sitzen hängen sahen, ein red eye flight eben. 


Was wir bei unserer Ankunft sofort bemerkten: Gelten die Kanaren als Winterdomizil für Pensionisten aus Europa, so waren wir offensichtlich in der Pensionistenhauptstadt Puerto de la Cruz aufgeschlagen. Erstaunlicherweise lagen gar nicht so wenige von ihnen Topless, zusätzlich auch oft nur im knappen String, am Strand. Für uns war es ähnlich wie bei einem Autounfall - wir wollten nicht hinschauen, es ließ sich aber irgendwie auch nicht verhindern. Die Zahl der Pensionisten wurde nur noch durch die Anzahl der Tauben übertroffen, welche überall in der Stadt zu finden sind. Natürlich wohlgenährt, weil sie doch ständig von den alten Leuten mit noch älterem Brot gefüttert wurden. Ekelhaft, noch dazu wo täglich mindestens eines dieser Viecher auf unserem Balkon landete und ihn auch täglich zukackte. 

Teneriffa überraschte uns bei unserer Ankunft mit bestem Wetter und wirklich warmen Wassertemperaturen, die Leute surften zum Teil in Boardshorts. Vielleicht das für heuer bestätigte El Nino-Phänomen? Puerto de la Cruz besteht vor allem aus alten Hochhäusern, 80er Jahre Charme und von viele denen verfallen gerade. Die nette Altstadt gefiel uns dafür. Wer einmal bei klassischer Musik Kaffee, Smoothies und lecker saftigen Karottenkuchen genießen möchte ist im Lokal El Limón genau richtig. Vor allem der typische Cortado con leche leche, also Kaffee mit Kondensmilch, für den ich meistens nur 1 Euro zahlte, wird mich vermutlich nicht gesünder sterben lassen, machte micht aber glücklich. Und auch sonst können wir uns über die Küche nicht beklagen. Die berühmten kanarischen Mojo-Soßen werden hier noch mit einer tollen Spezialität aufgewertet: Pollo con ajo, also mit Knoblauch marinierten Grillhähnchen. Dazu werden meistens Kartoffeln serviert, immerhin gibt es mehr als 20 verschiedene Sorten hier davon.

Auf den Kanaren kann man wirklich billig essen. Achtet auf die Mittagsmenüs, die kosten oft nur 5 Euro und inkludieren zB. Gemüsesuppe, Pasta und Nachspeise. Eines dieser Postres habe ich in besonders guter Erinnerung: Uns wurden platanos, kleine Bananen serviert. Wer richtig gute Tapas essen möchte sollte die kleine Bar "El Camino" in Puerto de la Cruz aufsuchen. Täglich werden bis zu 20 verschiedene Gerichte vorbereitet und bei Latinomusik serviert, fantastisch.

Wir konnten gar nicht genug bekommen von dem wunderbaren Wetter und nutzen gleich den ersten Tag für einen Ausflug an der Westküste. Im Valle de la Orotava bewundern wir ca. 2 Mio. Bananenstauden, denn dieses Tal gilt als größtes zusammenhängendes Anbaugebiet der Welt. Wir fuhren weiter über Garachico mit seinen schönen Piscinas Naturales bis zum Punto de Teno, um dort den Leuchtturm zu bewundern. Überall wurde gebadet und geschwommen, als wäre es mitten im Sommer. So haben wir die Kanaren im Herbst noch nie erlebt und JA - genau so soll es unbedingt weiter gehen....tat es aber nicht!

Gerade als wir denken: "Besser gehts Nicht"! wachten wir morgens bei Dauerregen auf. Die Tauben hatte das nicht daran gehindert ihre Haufen weiterhin auf unseren Balkon zu setzen. Trotz widrigen Umständen versuchten wir einen Surfspot zu finden welcher trotzdem funktionierte  und wo auch noch die Sonne schien. Richtig geraten, der war nicht nur schwer zu finden, sondern einfach gar nicht. Erst am Nachmittag klärte der Himmel auf und wir trafen auf zwei andere Surfer am Playa El Socorro. Topmotiviert sprang Wolfi aus dem Auto und in seinen Neopren, lief runter zum Strand und und wurde dort jäh vom dortigen Lifeguard gestoppt. Dieser stoppte Wolfi sofort. Er dürfe nicht ins Wasser, zu gefährlich wegen den Strömungen und die rote Flagge wäre auch gehisst, die anderen zwei seien Locals die nie auf ihn hören würden. Ziemlich ratlos stand Wolfi am Strand, denn so etwas war uns noch nie passiert und wir mussten unverrichteter Dinge heim fahren. Zum Glück fing bei uns im Ort der Playa Martináez genug Swell auf um Wolfi mit einer guten Surfsession zu belohnen. 

Auf den Regen sollte in den nächsten Tagen nochmals Regen folgen, und zwar genau als wir durch die Berge Richtung Süden fuhren um dort den Surf zu checken. Es wurde richtig ungemütlich, das Wasser kam uns in Sturzbächen auf der Straße entgegen, und als wir beschlossen die Fahrt abzubrechen war die Straße schon so sehr überflutet dass es nur noch eine Frage der Zeit war bis die ersten Hauseingänge überschwemmt werden würden. Wir waren wirklich gestresst und stritten so lange herum bis wir das Reiseziel um 180 Grad gedreht hatten. Statt Richtung Süden fuhren wir in den Norden. Ich war ziemlich froh über diese Entscheidung und als wir an der Küste entlangfuhren wurden wir plötzlich mit bestem Wetter und Sonnenschein belohnt. 

Unser neues Ziel war ein kleiner Ort namens Bajamar im Nordwesten Teneriffas. Von dort hatten wir  einen tollen Ausblick auf Spaniens höchsten Berg, den El Teide (3.718 m). Die Wellen liefen einfach perfekt als wir dort ankamen. Der Swell hatte ordentlich an Intensität zugelegt und die Spots waren am Feuern. Wir konnten es gar nicht glauben, gerade eine Stunde vorher wären wir in den Bergen beinahe von der Straße geschwemmt worden, und hier fanden wir unglaubliche Bedingungen vor. 


Nicht nur der Surf war ein Traum, sondern auch ein schottisches Pärchen, welches uns gleich in ein Gespräch verwickelte. Ich muss hier einfach beschreiben was für eine Granate die Schottin war. Sie hatte, genau wie die jugenlichen Spanierinnen, einen Neopren-Badeanzug an. Die kleinen Insulanerinnen waren mit ihren braun gebrannten, makellosen Körpern und den schönen langen Haaren waren wirkliche Eyecatcher. Sie hingegen, 34 Jahre, stand im gleichen Outfit daneben, schottischer Körperbau, reflektierend weißer Körper. Das Gesamtbild war im direkten Vergleich irgendwie ziemlich irritierend und supercool gleichzeitig. Auf ihr Outfit angesprochen meinte sie nur: "Yeah, I know I am fat, but I like it a lot." Was für eine geile Einstellung! Und bezüglich ihrer Haut meinte sie nur: "You don't know but people in Scotland are not only pale, they are somehow purple. That's why I use sun tan spray overnight here in Teneriffa, otherwhise people would think I'm a white whale!" Wir lachten wirklich mit ihr. Wer bitte verwendet auf den Kanaren einen Selbstbräunungsspray? Es war sofort klar: Die beiden wurden unser Travelpartner für den restlichen Urlaub!

Gleich ein paar hundert Meter nach dem Ortsschild Bajamar, findet ihr unser Lieblingsrestaurant auf der Insel. Wenn man weiter Richtung Punta Hidalgo fährt, befindet sich auf der Hauptstraße, in einer scharfen Rechtskurve, linkerhand ein kleines Restaurant namens El Abogado. Hier kocht der Sohn, welcher in einer Patisserie gelernt hat, während seine Mutter den Laden schmeißt. Das Essen ist sensationell, und zur Rechnung gibt es kleine, selbstgemachte Pralinen, welche wirklich unglaublich schmecken. 

Das Wetter bestimmte dann auch die nächsten Tage. Flüge nach Teneriffa wurden gestrichen und die Feuerwehr war im Dauereinsatz, vor allem um Keller auszupumpen. Den Reiseführer hatten wir wohl umsonst gekauft, denn das Wasser rann in Sturzbächen über die Straßen die Steilküste hinunter und an eine Fahrt in die Berge war nicht zu denken. Holidayfeeling wich Endzeitstimmung.

 Wir surften immer wieder in Bajamar, der einzige Spot der halbwegs funktionierte. 

Zurück in Puerto de la Cruz wollten wir auch noch kurz unseren Hometown Beach El Martináez checken, öffneten die Balkontür und gingen keine zehn Minuten hinunter an den Strand. Als wir von dort zurückkehrten bot sich uns ein schier unglaubliches Bild: Mitten im Raum, am Küchentisch, saß tatsächlich eine dieser Tauben! Wir erschraken uns beide ziemlich, die Taube und ich! Zum Glück fand sie gleich den Weg nach draußen. War das schon ziemlich unglaublich, so marschierte sie keine zehn Minuten später nochmals vom Balkon ins Wohnzimmer, ich war kurz vorm Ausflippen und fing an mich zu bewaffnen. Was für ein Drecksvieh, das bedeutete Krieg! Vorgenommen hatte ich mir Einiges, doch die einzige Waffe war ein Glas Wasser, und kaum saß sie draußen am Geländer wurde sie auch schon von meinem Wasserstrahl getroffen. Vermutlich hatten irgendwelche Pensionisten das Tier handzahm bis hier ins Wohnzimmer gefüttert....

Abends warfen wir einen Blick ins Internet und das bestätigte unsere Vermutung: Die Kanaren wurden von massiven Unwettern heimgesucht. Die Regierung hatte für Freitag, 23.Oktober 2015 einen Code orange ausgerufen, mit allem was dazu gehörte. Die Ursache: 3 Wetterphänomene gleichzeitig: Ein Sturmtief, ein Sandsturm aus der Sahara und Starkregen. Alle Schulen wurden geschlossen, Personen wurden  ersucht sich nicht im Freien aufzuhalten und Autofahrten zu vermeiden. Gleichzeitig wurde auch der Tenerife Blue Trail abgesagt - ein unglaublich harter Berglauf bei welchem ca. 100 km quer durch die Insel gelaufen wurden.  Zusätzlich galt es noch 2.700 Höhenmeter bis kurz unter den Gipfel des Teides zu bewältigen. Rennzeiten um die 16 Stunden waren üblich, und Samstags wäre der Zieleinlauf in Puerto de la Cruz gewesen. Leider wurde daraus Nichts, ich wäre gerne im Zielbereich dabei gewesen. An diesem Abend zeigte sich die ganze Macht des Unwetters - mitten in Puerto de la Cruz ergoß sich eine braune Schlammbrühe ins Meer und verdreckte den Strand so richtig.

Wolfi Playa El Socorro
Wolfi Playa El Socorro

Wetterbedingt gab es ausreichend Surf im Norden, vor allem Playa El Socorro lief ein paar Tage richtig gut und Wolfi war kaum mehr aus dem Wasser zu bringen.

Einen Tipp aus unserem Reiseführer interessierte uns: Brunchen in der Finca San Juan in San Juan de la Rambla. Am Vorabend bat ich unsere nette Rezeptionistin dort für uns zu reservieren, denn meine Spanischkenntnisse sind zwar gut, aber ich wollte unbedingt dass die Reservierung problemlos klappte. Die Dame sprach Spanisch, Englisch und Finnisch, also kein Problem sollte man meinen. Doch kaum wurde in der Finca das Telefongespräch angenommen redete man dort nur Deutsch! Und nachdem sich meine Rezeptionistin nicht verständlich machen konnte wurde auch gleich aufgelegt! 

Das war ja mal ein starkes Stück, wir konnten gar nicht glauben was passiert war. Sie rief also nochmals an und ich reservierte selbst auf Deutsch. Kurz gesagt: Es wurde ein sonniger Morgen mit tollem Brunch. Die Finca war fest in deutscher Hand und es hatte nur deutsche Gäste. Der Reiseführer hatte nicht zuviel versprochen: Es gab ein abwechslungsreiches Buffett mit leckerer Kaktusmarmelade, ausgezeichnetem Fleisch und einheimischen Käsesorten. Vor allem jener mit spanischem Kümmel schmeckte unglaublich. Ich denke das war der beste Käse den ich in meinem bisherigen Leben gegessen habe, und dabei waren wir erst diesen Sommer in der Schweiz gewesen. Ich probierte dort auch zum ersten Mal Baumtomaten. Die Fincabesitzerin erklärte mir dass diese Frucht tatsächlich am Baum wachsen würde - und als wir nach Hause fuhren fanden wir auch einen dieser Bäume. 

Anfang der zweiten Woche war der angekündigte Swell dann auch wirklich da. Man sagt, wenn es überall groß wird, läßt sich Bajamar vielleicht surfen, doch dort waren der Sturm beinahe am intensivsten. Bereits auf der Hinfahrt hatten wir schlechtes Wetter und natürlich auch wieder Geröll und Schlamm von den Bergen auf der Fahrbahn. In Bajamar selbst waren die Piscinas Naturales, die Schwimmbäder, völlig überspült und wir beobachteten fasziniert die Naturgewalten.

Bei den Bedingungen machten wir lieber einen Spaziergang im Jardin Botanico in Puerto de la Cruz.

Auf Teneriffa sollte man unbedingt zum höchsten Berg in den El Teide-Nationalpark fahren. Schon bei der Abfahrt in Puerto de la Cruz lachten wir  ziemlich - wir entdeckten nämlich dass die Männer der Müllabfuhr während der Arbeit einen Helm tragen mussten, Sicherheit geht nun mal vor!

Das Teidemassiv entpuppte sich dann auch tatsächlich als die Trennlinie zwischen guten und schlechtem Wetter. Weiter südlich und oben auf ca. 2.000 m Seehöhe war es bestens, doch kaum fuhren wir wieder Richtung Puerto de la Cruz hatten wir Nieselregen und Nebel. Zum Glück entgingen wir wenigsten dem angekündigten Schnee am Teide selbst. Unser Tipp - auch wenn die Winterswells eher den Norden der Insel treffen - trotzdem im Süden wohnen!

Unseren letzten Tag verbrachten wir noch mit den Schotten im Süden. Der Surf wurde massiv groß, wir saßen gemütlich am Strand, warteten auf unseren Flug nach Hause und genossen die Show im Wasser. Und ich schwöre, ich saß genau so wie auf diesem Foto auf einer Bank, war rundherum zufrieden und hörte plötzlich ein leises "Gruuuh -Gruuuh" ... und keine Sekunde später traf mich auch schon die Taubenkacke von oben!

 

Obwohl wir eine Stunde von Puerto de la Cruz entfernt waren, war ich mir in diesem Moment ziemlich sicher dass die Attacke vom gleichen Tier kam welches ich ständig aus unserem Appartement vertrieben hatte....

 

Fact Box: Teneriffa ist eine Reise wert. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen im wettertechnisch schöneren Süden mit all den Touristenmassen abzuhängen. Charmefaktor im Süden gleich Null. Die Stimmung im Wasser war gut, die Wellen sensationell, und wer sich nicht in jedes Restaurant ziehen lässt, sondern etwas herum sucht, wird auch gut und billig essen können.

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